Was war im Jahr 2023 aktuell?: Unterschied zwischen den Versionen
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''Ein turnhistorischer Kommentar von Dr. Lothar Wieser, IfSG'' | ''Ein turnhistorischer Kommentar von Dr. Lothar Wieser, IfSG'' | ||
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Jahrzehntelang hat die Deutsche Turnerschaft (DT) ihre Ursprünge auf das Jahr 1868 zurückgeführt. Die Zeitspanne zuvor galt als "Vorgeschichte", die Jahre 1848/49 gar als die "tolle Zeit" die man, besonders mit der "konservativen Wende" nach der Reichsgründung von 1871, gerne in Vergessenheit geraten ließ. Insofern ist es bemerkenswert, dass der Deutsche Turner-Bund (DTB) als | Jahrzehntelang hat die Deutsche Turnerschaft (DT) ihre Ursprünge auf das Jahr 1868 zurückgeführt. Die Zeitspanne zuvor galt als "Vorgeschichte", die Jahre 1848/49 gar als die "tolle Zeit" die man, besonders mit der "konservativen Wende" nach der Reichsgründung von 1871, gerne in Vergessenheit geraten ließ. Insofern ist es bemerkenswert, dass der Deutsche Turner-Bund (DTB) als | ||
Nachfolgeorganisation der DT, aber auch des Arbeiter- Turn- und Sportbundes (ATSB), seine Gründungsgeschichte um zwanzig Jahre zurückverlegt hat. Nachdem in norddeutschen Vereinen Belege für den Fortbestand des im Jahr 1848 in Hanau gegründeten Deutschen Turnerbundes aufgefunden werden konnten, war der DTB (von heute) 1995 bereit, sich seiner demokratischen Wurzeln zu erinnern (Anm. 1). | Nachfolgeorganisation der DT, aber auch des Arbeiter- Turn- und Sportbundes (ATSB), seine Gründungsgeschichte um zwanzig Jahre zurückverlegt hat. Nachdem in norddeutschen Vereinen Belege für den Fortbestand des im Jahr 1848 in Hanau gegründeten Deutschen Turnerbundes aufgefunden werden konnten, war der DTB (von heute) 1995 bereit, sich seiner demokratischen Wurzeln zu erinnern (Anm. 1). | ||
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Es ist dies ein (spätes) Bekenntnis zur Demokratiegeschichte, deren Wurzeln im Vormärz und in den Jahren der Revolution zu nicht geringen Teilen mit der Turnbewegung verknüpft sind. Die Betonung der Medien liegt heute üblicherweise auf den freiheitlichen Forderungen und politisch-parlamentarischen Bestrebungen, wobei die Beteiligung von Turnern meist keine Beachtung erfährt. | Es ist dies ein (spätes) Bekenntnis zur Demokratiegeschichte, deren Wurzeln im Vormärz und in den Jahren der Revolution zu nicht geringen Teilen mit der Turnbewegung verknüpft sind. Die Betonung der Medien liegt heute üblicherweise auf den freiheitlichen Forderungen und politisch-parlamentarischen Bestrebungen, wobei die Beteiligung von Turnern meist keine Beachtung erfährt. | ||
Nun hat der DTB seinen Festakt sogar in der Frankfurter Paulskirche begehen dürfen, dem Symbol für den demokratischen Aufbruch, aber auch des Scheiterns der Demokratiebewegung in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Prominente Redner betonten besonders die demokratische Tradition des Turnens, die auf den Gründungstag des ersten gesamtdeutschen Turnverbandes, am 3. April 1848 in | Nun hat der DTB seinen Festakt sogar in der Frankfurter Paulskirche begehen dürfen, dem Symbol für den demokratischen Aufbruch, aber auch des Scheiterns der Demokratiebewegung in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Prominente Redner betonten besonders die demokratische Tradition des Turnens, die auf den Gründungstag des ersten gesamtdeutschen Turnverbandes, am 3. April 1848 in | ||
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− | Nachdem die Hanauer Turngemeinde am 19. März zu einem Turntag Anfang April eingeladen hatte, kam es am 3. April 1848 zur Gründung eines "Deutschen Turner-Bundes" mit dem Zweck, ''für die Einheit des deutschen Volkes thätig zu sein, den Brudersinn und die körperliche und geistige Kraft des Volkes zu heben''. Vielen Demokraten, von denen einige die Versammlung verlassen hatten, um sich dem Aufstand Heckers im Badischen Oberland anzuschließen, war diese Formulierung viel zu unbestimmt, weshalb die Hanauer zu einem weiteren Turntag auf den 2. und 3. Juli einluden, wo es zur Gründung des "Demokratischen Turnerbundes" kam. Sein Zweck lautete: ''"durch geistige und körperliche Ausbildung und Verbrüderung aller Deutschen hinzuwirken auf ein freies und einiges Vaterland, welches in dem volksthümlichen Freistaat – der demokratischen Republik – seine entsprechende Form findet."'' Den heutigen demokratischen Verhältnissen würde dieser Satz näher kommen als der in der unbestimmt gehaltenen Formel vom 3. April. Die Spaltung der Turnorganisationen entlang politischer Ziele war unübersehbar und, wie sich in den nächsten beiden Jahren herausstellen sollte, unüberbrückbar. | + | Nachdem die Hanauer Turngemeinde am 19. März zu einem Turntag Anfang April eingeladen hatte, kam es am 3. April 1848 zur Gründung eines "Deutschen Turner-Bundes" mit dem Zweck, ''für die Einheit des deutschen Volkes thätig zu sein, den Brudersinn und die körperliche und geistige Kraft des Volkes zu heben''. Vielen Demokraten, von denen einige die Versammlung verlassen hatten, um sich dem Aufstand Heckers im Badischen Oberland anzuschließen, war diese Formulierung viel zu unbestimmt, weshalb die Hanauer zu einem weiteren Turntag auf den 2. und 3. Juli einluden, wo es zur Gründung des "Demokratischen Turnerbundes" kam. Sein Zweck lautete: ''"durch geistige und körperliche Ausbildung und Verbrüderung aller Deutschen hinzuwirken auf ein freies und einiges Vaterland, welches in dem volksthümlichen Freistaat – der demokratischen Republik – seine entsprechende Form findet."'' Den heutigen demokratischen Verhältnissen würde dieser Satz näher kommen als der in der unbestimmt gehaltenen Formel vom 3. April. Die Spaltung der Turnorganisationen entlang politischer Ziele war unübersehbar und, wie sich in den nächsten beiden Jahren herausstellen sollte, unüberbrückbar. Infolge der Ereignisse der beiden Revolutionsjahre kam es zu keinen größeren Turnerversammlungen oder gar Turnfesten. Heckers Aufstand wurde niedergeschlagen; er und einige Getreue flohen bereits im Jahr 1848 nach Nordamerika, wo sie in Cincinnati den ersten deutschen Turnverein gründeten. Auch Gustav Struves Versuch von Konstanz aus mit Gewalt die Republik zu erzwingen, scheiterte an der Angst der "guten Bürger" und den Bajonetten der Armee. |
− | Infolge der Ereignisse der beiden Revolutionsjahre kam es zu keinen größeren Turnerversammlungen oder gar Turnfesten. Heckers Aufstand wurde niedergeschlagen; er und einige Getreue flohen bereits im Jahr 1848 nach Nordamerika, wo sie in Cincinnati den ersten deutschen Turnverein gründeten. Auch Gustav Struves Versuch von Konstanz aus mit Gewalt die Republik zu erzwingen, scheiterte an der Angst der "guten Bürger" und den Bajonetten der Armee. | + | |
[[Datei:Flugblatt Republik 1848.jpg|left|thumb|250px|Vorlage: L. Wieser.]] | [[Datei:Flugblatt Republik 1848.jpg|left|thumb|250px|Vorlage: L. Wieser.]] |
Version vom 11. Mai 2023, 11:52 Uhr
Ankündigungen und Neuigkeiten für das Jahr 2023 | |||||||
Mai 2023175 Jahre Deutscher Turner-Bund – Aspekte der Demokratiegeschichte des TurnensApril 2023Sportarchiv übernimmt das Vereinsarchiv des VfB Tamm 1920 e.V.Tagungsankündigung, 12./13. Oktober 2023, Kloster MaulbronnJahreswechsel 2022/2023Handreichung zum Aufbau von Vereins- und Verbandsarchiven vorgestellt
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Inhaltsverzeichnis
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Chronik der VorjahreWas war im Jahr 2022 aktuell?Was war im Jahr 2021 aktuell?Was war im Jahr 2020 aktuell?Was war im Jahr 2019 aktuell?Was war im Jahr 2018 aktuell?Was war im Jahr 2017 aktuell?Was war im Jahr 2016 aktuell?Was war im Jahr 2015 aktuell?Was war im Jahr 2014 aktuell?Was war im Jahr 2013 aktuell?Was war im Jahr 2012 aktuell? |